Kampfansage an die Republik
Eigentlich ist die Hochzeit des Chefs des Hauses Hohenzollern, Prinz Georg Friedrich von Preußen, mit Prinzessin Sophie zu Isenburg an diesem Sonnabend in Potsdam nicht mehr als eine Meldung aus der Rubrik „Vermischtes“.
Doch angesichts der Familiengeschichte des Bräutigams erscheint es reizvoll, das Ereignis einmal aus einem etwas radikaleren Blickwinkel zu betrachten. Und dann wird aus der Hochzeit schnell eine subtile Kampfansage an die Republik. Denn streng genommen senden die beiden Adligen mit ihrer in aller Öffentlichkeit und vom Fernsehen übertragenen Hochzeit ein Signal aus, das geeignet ist, die Axt an die bundesrepublikanische Ordnung zu legen.
Man erinnert an historische Ansprüche
Hochzeiten in Monarchien, zumal die der Thronfolger, sind immer auch Staatsakte. Sie sollen mit ihrem bewußt zur Schau getragenen Pomp Zeugnis ablegen von der Vitalität und Zukunftsfähigkeit des Herrscherhauses und damit dessen Macht sichern und festigen. Hochzeiten ehemals regierender Häuser können dementsprechend als Zeichen an die neuen Machthaber gelesen werden: Seht her, uns gibt es noch, ihr müßt mit uns rechnen, wir geben unseren Anspruch nicht auf.
Natürlich liegen den Brautleuten diese Gedanken fern, wenn sie am Wochenende in der Potsdamer Friedenskirche zum Traualtar schreiten. Doch wissen sie als historisch gebildete Menschen aus Familien, die es gewohnt sind, in Jahrhunderten zu denken, um diese geschichtliche Aufladung ihrer Hochzeit. Nicht ohne Grund wurde Potsdam als Ort der Trauung ausgewählt. Durch die Heirat ihres Familienoberhauptes in der alten, vierzig Jahre vom kommunistischen Regime ausgezehrten Residenzstadt kehrt das Haus Hohenzollern gleichsam in die Geschichte zurück und erinnert – ob gewollt oder ungewollt – an seine historischen Ansprüche.
Ein monarchisches Staatswesen zuletzt 1944 möglich
Nun hat sich allerdings das politische System der Bundesrepublik trotz mancher Unkenrufe in den vergangenen sechzig Jahren als äußerst stabil erwiesen. Über eine Revolution oder gar einen monarchistischen Umsturz muß man sich im Bundeskanzleramt und im Schloß Bellevue bislang keine Gedanken machen. In Deutschland ist die 1918 untergegangene Monarchie zudem im Bewußtsein des Volkes kaum mehr als eine blasse Erinnerung.
Im Gegensatz etwa zu Frankreich, das trotz seiner revolutionär-republikanischen Tradition bis in unsere Tage immer auch über eine royalistische Gegenbewegung verfügte, gibt es in Deutschland, abgesehen von einigen versprengten Traditionsvereinen, nichts vergleichbares. Die Verschwörer des 20. Juli 1944 stellten zum letzten Mal konkrete Überlegungen für ein monarchisch verfaßtes Staatswesen an. Die Rückkehr der Hohenzollern auf den Thron wäre bei einem Gelingen der Umsturzpläne durchaus realistisch gewesen.
Seitdem macht die politische Rechte in Deutschland einen großen Bogen um dieses Thema. Wenn überhaupt über eine Staatsordnung nachgedacht wird, verlieren sich diese Überlegungen zumeist in ständisch-autoritären Konzepten aus den zwanziger Jahren oder dem unvermeidlichen Führerstaat nationalsozialistischer Prägung. Die Monarchie ist dagegen längst im Museum gelandet und bietet bestenfalls Stoff für sentimentale Schwärmereien. Dabei scheint es angesichts der sich durch die verstetigende Euro-Krise abzeichnenden Auszehrung der Legitimität des politischen Systems dringender denn je, sich nach einer Alternative umzuschauen.
Aus konservativer Sicht kann dies nur die Neuauflage der Monarchie sein. Bereits 1990 schrieb der konservative Publizist Caspar von Schrenck-Notzingvon der Monarchie als der „postmodernen Staatsform“, deren anzustrebende Wiedererrichtung er als „Schlußstein der wiedergewonnenen Souveränität“ Deutschlands empfahl. Und in der Tat garantiert die Monarchie wie keine andere Regierungsform die staatliche Kontinuität über die Zeitläufte hinweg und ist damit im höchsten Maße identitätsstiftend. Mit der notwendigen Autorität und wirkungsvollen Einflußmöglichkeiten ausgestattet, eignet sich der Monarch, der stets das große Ganze im Blick hat, bestens für die Rolle des ausgleichenden Mittlers und als Korrektiv im alltäglichen Streit der Parteien und Interessenverbände.
Monarchien reagieren staatserhaltend mit Reformen
Der in den Vereinigten Staaten lehrende Wirtschaftswissenschaftler Hans-Hermann Hoppe hat dies in seinem Buch „Demokratie. Der Gott der keiner ist“ treffend auf den Punkt gebracht. Er sieht den Vorteil der klassischen Monarchie darin, daß sich der Herrscher als Privateigentümer des Landes um die langfristige Wertsteigerung bemühen muß, während in der Demokratie kurzfristige Überlegungen der Entscheider die Oberhand gewinnen, da sie kein Privatinteresse mehr an dem Staatswesen haben und dieses keinen leiblichen Erben hinterlassen. Es scheint angesichts der Leichtfertigkeit, mit der deutsche Politiker derzeit Verpflichtungen in Milliardenhöhe eingehen und damit künftige Generationen bis über die Schmerzgrenze hinaus belasten, als wollten sie diese Analyse kraftvoll bestätigen.
Die Monarchie kann dagegen geradezu als nachhaltige Regierungsform betrachtet werden, wie übrigens auch ein Blick auf die Revolten und Revolutionen in Arabien zeigt. Alle Länder, in denen es bislang zu Revolutionen und Umstürzen gekommen ist, waren Republiken. In den Königreichen Marokko und Jordanien dagegen führten die Proteste, die sich nie direkt gegen die Herrscher richteten, zur Einleitung von politischen Reformen. Ganz offensichtlich garantieren die Monarchien hier ganz im konservativen Sinne den Bestand einer stabilen Staatlichkeit langfristig wesentlich besser als die auf Selbstbereicherung spezialisierten Familienclans in Ägypten, Tunesien, Syrien oder Libyen.
Auch wenn es verwegen erscheint, über Szenarien zu spekulieren, die zu einem neuen deutschen Kaiserreich führen könnten, ist es angesichts der Hohenzollernhochzeit in Potsdam auch in Deutschland an der Zeit, die Monarchie aus dem Museum zu holen und sie wieder auf den Boden der staatstheoretischen Diskussion zu stellen. Und sei es nur, um sie nicht länger den bunten Blättern und den Rolf Seelmann-Eggeberts dieser Welt zu überlassen.